Wir freuen uns sehr, einen ganz besonderen Reisebericht von Günter Engelhart auf unserem Blog präsentieren zu dürfen. Günter hat uns mit seinen Erlebnissen und Eindrücken aus einer außergewöhnlichen Reise begeistert, die nicht nur seine persönliche Sichtweise, sondern auch viele spannende Details und Anekdoten enthält. Wir hoffen, dass dieser ausführliche Bericht euch genauso inspiriert wie uns und euch einen einzigartigen Einblick in das Leben vor Ort sowie die Schönheiten der Reiseziele bietet. Viel Spaß beim Lesen und Entdecken!
Hola! „5 pics a day 1/25“
Heute (und für die nächsten 24 Tage) gieße ich Wasser auf die Mühlen all derer, die behaupten, dass ich/wir „immer unterwegs“ sind. Denn es stimmt (zum ersten Mal ). In der Zwischenzeit ist der Abflug-Whisky in der Flughafenlounge mein häufigstes Fotomotiv geworden. Übrigens, ich hätte, nein, ich habe, meinen Traum-Handgepäckkoffer gesehen. Ich muss noch recherchieren, wo er erhältlich ist. Als Traditionalisten weichen wir nicht von unserem Urlaubs-Rhythmus ab und halten an der Regelmäßigkeit fest, die sich schon eingespielt hat. Nachdem es letztes Jahr Tinas „schwarzer Kontinent“ war (kann man das noch sagen?), ist es dieses Mal wieder meine südamerikanische Vorliebe. Es geht in ein Land, das nach einem sehr berühmten italienischen Navigator des 15. Jahrhunderts benannt ist, dessen Vorname Christopher war, der das nach ihm benannte Land aber selbst nie besucht hat. Nun, er starb im Alter von 55 Jahren. Wahrscheinlich zu früh, denn ich musste 62 Jahre alt werden, bevor ich zum ersten Mal einen Fuß in Kolumbien setzen konnte. Was nicht ganz stimmt, denn „besucht“ wäre korrekter. Ich „betrat“ das Land vor zwei Jahren, als ich am Flughafen in Bogotá umgestiegen bin. Übrigens waren es die prächtigen Farben in den Geschäften und Souvenirläden dort, die mich dazu brachten, mehr von diesem Land zu sehen als nur Terminal 1 des BOG. Ob und inwieweit diese Entscheidung die richtige war, wird sich hier in den nächsten drei Wochen zeigen.
Hasta pronto.
Hola! „5 pics a day 2/25“
Welch warmer Empfang auf dem Flughafen in Bogotá: Johnnie Walker himself, gedresst in den kolumbianischen Nationalfarben, hieß mich persönlich willkommen. Dabei ist J.W. bei weitem nicht meine Lieblingsmarke. Aber wie ist das mit der Not und dem Teufel? So, und jetzt ist Schluss mit dem hochprozentigen Alkzeugs. Jetzt wird’s geistig hochprozentig.
Heute bildete die Catedral del Sal quasi das Salz in der kolumbianischen Urlaubssuppe. Ich hab’s ja mit Gotteshäusern nicht sooo, aber das hier ist schon was Besonderes. Während nämlich für gewöhnlich der Kirchen, Kathedralen und Dome Streben himmelwärts gerichtet ist, ist‘s bei der Catedral de Sal in Zipaquirá genau umgekehrt. Sie liegt zu Gänze unter der Erde mit einem maximalen Tiefpunkt von 190 Metern. Und sie besteht, wie der Name schon sagt, aus Salz. Entstanden ist sie vor gut 30 Jahren durch den Abbau von 250.000 Tonnen Salz. Die dabei entstandenen, jetzt bunt ausgeleuchteten, Gewölbe, Kirchenschiffe und Kapellen sorgen gemeinsam mit den 14 künstlerisch gestalteten Stationen des Kreuzweges Jesu schon für so manchen sakralen Wow-Effekt.
Unser heutiger Zielort Villa de Leyva zählt zwar zu den schönsten historischen Siedlungen Kolumbiens; ob dem aber tatsächlich so ist, werden wir erst morgen erkunden. Heute fesselte uns sozusagen der Mojito an die Plaza Major, von der aus wir das Wechselspiel von Wolken und Sonne, deren Verschwinden letztlich vom zarten Geschmack der Limette und Minze begleitet war, beobachteten.
Hasta pronto.
Hola! „5 pics a day 3/25“
Wie gut, dass Latein und Biologie (damals: Naturgeschichte) meine schulischen Lieblingsfächer waren. Wobei: Bei Latein wurde mir das erst Jahrzehnte später bewusst. Wie auch immer, ich konnte das heute unter die Lupe genommene Monasterio „Ecce Homo“ mit der Übersetzung „Siehe, der Mensch“ sprachlich sofort richtig einordnen. Und aufgrund meines religiösen Interesses, das sich allerdings in „Jesus Christ Superstar“ erschöpft, weiß ich diese Worte auch bei Pontius Pilatus zu verorten, mit denen er Jesus Christus nach der Geißelung der Menge präsentierte.
Weniger meine gymnasialen Kenntnisse in Biologie denn viel mehr meine Neugier kam beim Besuch des Museo El Fósil nahe Villa de Leyva zum Tragen. Weil vom dort gefundenen und ausgestellten, faszinierenden „Kronosaurus boyacensis“ wusste ich bis heute noch nichts. Man könnte das fast eine biologische Bildungslücke bezeichnen. Wer - so vorhanden - die seinige schließen möchte, dem lege ich Dr. Google ans Herz.
Und da ich Mathematik zwar gern mochte, meine schulische Erfolgskurve aber einer abenteuerlichen Achterbahn glich, habe ich mich dermal verzählt und acht anstelle der five pics verarbeitet. Es haben sich nämlich noch drei zusätzliche vom sehr entschleunigenden Bummel durch die ziemlich weiße Kolonialstadt Villa de Leyva dazu - um bei der Mathematik zu bleiben - geschummelt.
Hasta pronto.
Hola! „5 pics a day 4/25“
Heute hab‘ ich mich ein bisschen gefühlt wie Odysseus auf seinen Irrfahrten. Wenn im Flieger - einer ca. 60-sitzigen zweimotorigen Propellermaschine - hoch über den Wolken nach einer rein spanischsprachigen (und für mich daher auch spanischklingenden) Durchsage der dunkelhaarigen Flugbegleiterin plötzlich rund 50 des Spanisch mächtigen Personen wie auf Kommando zu reden beginnen - und wer SpanierInnen kenn, der weiß, was es heißt, wenn SpanierInnen zu reden beginnen - und eine nicht unspürbare Hektik sich in der Kabine breit zu machen anschickt, wenn das also passiert, dann muss was sein. Wenn dann zum Zeitpunkt der geplanten Landung (bei ziemlich zeitgetreuem Takeoff) noch immer eine Wolkendecke weit unterhalb des Fluggerätes die Sicht zum Boden vereitelt, dann muss wirklich was sein. Und wenn dann der Flieger mit fast einstündiger Verspätung doch aufsetzt und man nur durch Aufbringung größter Anstrengung und mit viel Fantasie dieses Fleckchen Erde des Touchdowns als Flughafen interpretiert, dann kann das nicht dort sein, wo man hin wollte. Auch wenn man aus dem Flieger gebeten wurde. Das hat jetzt nichts mit Navigationskenntnissen zu tun, sondern mit Bauchgefühl.
Um‘s kurz zu machen: Wir landeten nicht dort, wo wir landen sollten. Es gelang mir (noch) nicht, die Frage nach den Wo und Warum zu beantworten, Highjacking war jedenfalls nicht im Spiel, das wäre in der Enge der Kabine aufgefallen. Zudem wurden wir ja wieder zwecks Restart auf unsere Plätze gebeten. Und wo wir dann, nach einer guten halben Stunde erneut gelandet sind, das hatte noch weniger mit einem Flughafen zu tun. Aber: Es war dort, wo wir hinwollten. La Macarena nennen sich Ort wie Gegend, und das ganze liegt schon ziemlich weit im Süden des Landes, im tropischen Gürtel nahe des Äquators. Was wiederum heißt: Erhöhte Temperatur vermischt sich mit erhöhter Luftfeuchtigkeit. Kurz: Es war heiß und schweißtreibend feucht.
Eine kleine Wanderung mit kurzem Zwischenstopp, um sich im Wasser ein bisschen aufzuwärmen (von Abkühlung konnte auch bei weitester Auslegung des Begriffs nicht gesprochen werden) fand ein affiges Ende.
Hasta pronto.
Hola! „5 pics a day 5/25“
Heute war „Wandern im Dampfbad“ angesagt, oder wie man‘s hier in Kolumbien nennt: „Caño Cristales Hiking“. In Zahlen ausgedrückt: 34 Grad Celsius, 90 Prozent Luftfeuchtigkeit und 12 km über Stock und Stein und idealerweise langbeärmelt und -behost, weil man hier aus Umweltschutzgründen keine herkömmlichen Sonnenschutzpräparate verwenden darf (man kann hier an bestimmten Stellen im Fluss baden, aber man möchte einen „Ölfilm“ an der Wasseroberfläche zum Schutz des Ökosystems vermeiden). Und der Sonne Kraft erkennt man spätestens am Abend, wenn man auf der Lodge-Terrasse am Guayaberaso nuckelt.
Natürlich könnte man das billiger haben, wenn man im Spa-Bereich eines Hotels sechs Stunden voll adjustiert im Dampfbad seine Runden zieht. Aber erstens würde das glaube ich recht bald langweilig werden, und zweitens würde das doch etwas, sagen wir, eigenartig ausschauen.y
Caño Cristales ist ein Gewässer im südamerikanischen Orinoko-Flusssystem, das auch als „Fünf-Farben-Fluss“ oder als „Flüssiger Regenbogen“ bezeichnet wird. Die Farben stammen vom Pflanzenbewuchs auf dem Flussgrund und variieren zwischen Gelb, Grün, Blau, Schwarz und Rot. Ich füge noch Purpur und Orange dazu, dann wäre auch dem Regenbogen Rechnung getragen.
Cañon Cristales ist ein Highlight hier in Kolumbien, wenn man ein bisschen an Natur interessiert ist.
Die Bilder heute mögen trotz Farbenfrohheit paradoxerweise ein bisschen eintönig wirken. Aber sie dominierte den heutigen Tag.
Hasta pronto.
Hola! „5 pics a day 6/25“
Vor 40 Jahren wäre ich heute Morgen in ein zeitliches Vakuum gekommen. Weil ich früher hätte aufstehen müssen als ich üblicherweise nach Hause gekommen wäre. Chronologisch ausgedrückt: 3:45 Uhr zu 4:00 plus Uhr.
Es bildete nämlich eine Bootsfahrt aus der Dunkelheit der Nacht in den Sonnenaufgang, der für 5:37 Uhr prognostiziert war, den Auftakt (des sonst eher spärlichen) heutigen Programmes. Also im Scheine der Taschenlampe eine quasi Hühnerleiter die Uferböschung hinunter in die nicht gerade vor Stabilität strotzende, von 50 Yamaha-PS gepowerte Zille und rein in das noch schwarze Loch. Hin und wieder vergewisserte sich der Fährmann per Taschenlampe, ob das Boot eh noch Wasser unterm Boden hatte.
Vom an einem Ast eines Baumes am von vielen Vögeln aber auch so manchem Alligator bevölkerten Ufer festgebundenen Bootes harrten wir der Dinge und ließen die Zeit unaufhaltsam die Sonne von hinterm Horizont das Firmament hochziehen. Im Prinzip ist es ein Sunset mit umgekehrten Vorzeichen.
Ansonsten ging‘s dann nur noch per Flugzeug wieder von La Macarena zurück nach Bogotá, und mittlerweile kenne ich auch den Grund unserer Odyssee beim Hinflug (siehe „5 pics 4/25“): Da La Macarena Airport nur Platz für genau ein Verkehrsflugzeug hat, konnten wir nicht landen, da dieser Platz wegen eines Takeoff-Delays belegt war. Also zogen wir so lange Warteschleifen, bis der Sprit knapp wurde. Und flogen schließlich von den insgesamt 400 km wieder 300 km zurück nach Villavicencio zum Auftanken. Der zweite Anlauf gelang dann.
Das abendliche Highlight in Bogotá war das Abendessen: Ein Sixpack Club Colombia aus‘m Supermarkt, und Empanadas sowie Arepas vom Straßenhändler im Hotelzimmer mit Blick durch bodenlange Fenster auf die nächtlich erleuchtete Stadt.
Hasta mañana.
Hola! „5+ pics a day 7/25“
Überraschender Weise konnte ich dem ursprünglich eher mit Skepsis gegenüber getretenen 10-Millionen-Moloch Bogotá etwas Liebenswürdiges, etwas Sympathisches abgewinnen. Der Grund dafür war in der Barrio La Candeleria, der malerisch Altstadt der Metropole mit ihren bunten Häusern, teilweise aus der Kolonialzeit, und den kunstvollen Graffitis zu finden.
Ich verstehe ja von Kunst und deren (sowohl älteren als auch jüngeren) Geschichte nichts. Muss ich auch nicht, ist weder mein Job noch mein Hobby. Wie sagt man am Land? - „Mei, is des a scheens Büdl“, oder „mei, is des schiarch“. Also in die erste Kategorie fallen in meiner Wahrnehmung die Bilder des Kolumbianischen Malers Fernando Botero nicht. Auch wenn diese Werke mit dem „Out of Proportion“-Stil wertmäßig tief im Euro-Millionenbereich liegen - ich würde mir keines ins Wohnzimmer hängen. Dennoch war der Besuch des Botero Museums keine vergeudete Zeit. Interessant sein und gefallen müssen nicht zwangsläufig einhergehen.
El Dorado - so heißt nicht nur der Flughafen in Bogotá, sondern auch jene Stadt aus Gold in den kolumbianischen Anden, die oft gesucht und nie gefunden wurde. Sicher ist, dass die Völker und Stämme der präkolumbischen Zeit ausgezeichnete Goldschmiede waren. Viele Fundstücke sind im Museo del Oro ausgestellt und glänzen zwar (im Gegensatz zur Altstadt) nur monochrom, dafür aber halt echt golden.
Und am Abend saßen wir schon wieder im Flieger nach Neiva.
Hasta Mañana.
Hola! „5 pics a day 8/25“
Meine AlterskollegInnen werden mit dem Begriff der „Klapperl“ vermutlich noch etwas anfangen. Die jüngeren meiner Leserschaft mögen googeln. Es finden sich brauchbare Ergebnisse.
Heute habe ich also meine Klapperl hervor- und angezogen, natürlich in der advanced hippen und stylish Version „Tracking Sandalen“. Die mit der Gummikuppe als Stoßfänger für die Zehen vorne. Aber die beiden Wanderwege durch die Tatacoa Wüste waren von der Beschaffenheit in Kombination mit Temperatur und Wetter ideal dafür. Regen wäre auch wirklich Pech gewesen, handelt es sich dabei doch um ein ausgesprochenes Trockengebiet, das sich teilweise in Privatbesitz befindet.
120 Jahre alt war jene vor nicht allzu langer Zeit verstorbene Kolumbianerin, die zu den BesitzerInnen gehörte und stolze Mutter von zwölf Kindern war. Dieses Dutzend Sprösslinge sorgte seinerseits mit einer überdurchschnittlichen Zahl an Nachkommen wiederum für 80 EnkelInnen.
Aus aktuellem Anlass überlegte ich mir, wie da wohl eine Weihnachtsfeier im Familienkreis ausschauen würde. Nach welchen Gesichtspunkten man da als seine Enkel liebender Großelternteil die Weihnachtsgeschenke aussucht, wann man mit deren Anschaffung beginnt, und wie man die Finanzierung managt und wie das mit dem Festmahl hinsichtlich Kochen und Geschirr aussieht.
Ob man sich alle Namen sowie Geburtsdaten aller 80 Jungspunde merkt, ob es 80 unterschiedliche Geburtstage gibt, und ob es Mehrfachnamen gibt?
Aja, um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen: Der „aktuelle Anlass“ ist das bevorstehende Weihnachtsfest, nicht etwa eine solche Großelternschaft.
Aber um den Kreis wieder mit der Tatacoa-Wüste zu schließen: Zweimal rund eine Stunde durch den grauen und den roten Teil der Wüste ließen keinen Zweifel an der Erreichung des Schritt-Zieles aufkommen.
Hasta mañana.
Hola! „5 pics a day 9/25“
„Müssen tut man gar nix, außer sterben“ - dieser in frühen Jugendtagen beliebte Konter auf ein elterliches „Du musst…“, der meist nicht sonderlich viel Freude beim Befehlshaber hervorgerufen hat, bestimmte den heutigen Tag. Wir haben den Tod, das Sterben, und hier insbesondere die Bestattungsriten aufgearbeitet. Nicht irgendwelche, sondern jene der präkolumbischen Kulturen. Dazu mussten wir die Zeit um 1000 bis 2000 Jahre in die Epoche 100 v.Chr. bis 900 n.Chr. zurückdrehen.
Dies gelang ganz einfach mit einem Besuch des archäologischen Parks in San Agustín. In diesem Unesco Weltkultur-Erbe werden eine ganze Menge Skulpturen präsentiert, die man in dieser Gegend gefunden hat, und die als, vereinfacht ausgedrückt, Grabsteine dienten.
Auf nicht unspannende Weise erklärte man uns die Bedeutung von Adler-, Halbmond- und Jaguaraugen, die Reißzähne oder die unterschiedliche Haltung der Hände.
Es war - nachdem wir mangels Anwesenheit zu Allerheiligen ohnedies den Gang zu den familiären Gräbern in der Heimat nicht antreten konnten - ein Friedhofsbesuch der ganz besonderen Art. Denn, so versuchte man uns glaubhaft zu machen, es wären (nur) etwa 30 Prozent dieser historischen Zeugnisse freigelegt, der Rest befände sich noch unter unseren Füßen (und sollte geplanter Weise auch dort bleiben). A bissl scary war‘s schon.
Der gedankliche Spagat vom Tod zum Fußball beim Spaziergang durch San Agustín mag ein bisschen willkürlich und weit hergeholt wirken, aber nur dann, wenn man nicht weiß, dass die Ursprungsfarben der Stadt Grün und Weiß und damit meine uneingeschränkten Lieblingsfarben in der heimischen Kickerszene sind. Man verleiht den Häusern jetzt aber mehr und mehr an Farbe, so dass das Ursprüngliche immer seltener und schwieriger zu finden ist.
Hasta Mañana
Hola! „5 pics a day 10/25“
„Wir waren dabei“ - wer weiß, wieviel das noch wert sein wird, wenn sie in zehn bis fünfzehn Jahren durchstarten und die Bühnen, Konzerthäuser und Stadien dieser Welt erobern. Vielleicht nicht als „Estación 1950“, sondern unter klingenderem Namen, wie z.B. „Rodando Piedras“ (DeepL vermag zu übersetzen). Und wenn nicht, ist auch nichts vertan.
Wir waren also dabei, als sechs Burschen und ein Mädchen im Alter von 14 bis 17 Jahren als „Estación 1950“ im Club Maco in San Agustín ein durchaus hörenswertes Konzert gaben. Viele Rhythmen, viele Stile, viel Abwechslung.
„Estación 1950“ ist ein Produkt der „Escuela de Música - Magdalena Music School“ in San Agustín. Diese Musikschule ist insofern etwas Besonderes, als dass sie im Vorjahr als Sozialleistung des (unseres) lokalen Reiseveranstalters Chaska Tours ins Leben gerufen wurde, die Kinder der Gemeinde sie kostenlos besuchen können und ein Teil der Tourismus-Einnahmen der Finanzierung dient. Ich drücke den SchülerInnen jedenfalls die Daumen, dass sie sich mit der Musik ihren Lebensunterhalt verdienen können; Ausstrahlung, Selbstbewusstsein und so manche Moves waren bei einigen schon ziemlich gut entwickelt - auch wenn die Mama in der Pause mit dem „Jausenbrot“ sehr willkommen war.
Im sehr komfortablen Hyundai-Van durchquerten wir dann eine Landschaft, die zwar ein bisschen an eine wolkenverhangene Südsteiermark erinnerte, in der aber abschnittsweise auf querende Tapire, Jaguare oder Brillenbären hingewiesen wird. Da weiß man dann wieder, wo man ist (zumindest, wenn man in Naturgeschichte aufgepasst hat).
Das Tagesziel lautete Popayán, eine touristisch noch wenig erschlossene, dafür umso weißere Stadt. Da wirkte sogar das Weiß unseres Hyundai ein bisschen angegraut. Den heutigen Tagebuch-Eintrag poste ich aus gutem Grund bereits jetzt, am frühen Abend, denn Popayán gilt als Gourmet-Hauptstadt des südlichen Kolumbiens, und wer weiß, ob ich dann mit vollgeschlagenem Bauch und leerem bzw. bierschwangerem Kopf noch die richtigen Buchstaben auf der Handy-Tastatur treffe (das ist auch so schon eine Challenge).
Hasta Mañana
Hola! „5 pics a day 11/25“
Haben heute Silvia kennengelernt. Silvia ist eine kolumbianische Mittelgebirgs-Schönheit mit ganz speziellem Charakter. Silvia ist einzigartig, und mit gar nicht allzu viel Fantasie könnte man ihr den Nachnamen Misak geben. Silvia kann sich jedoch nicht bewegen, aber sie wird zusehends mehr und größer.
Bei Silvia handelt es sich um eine Ortschaft im Südwesten Kolumbiens. Sie ist das Zentrum der Misak, eine der traditionellsten indigenen Gruppen des Landes. Hier dreht sich die Welt in der Tat noch ein bisschen anders, hier werden Traditionen, Kultur und Bräuche früherer Tage noch aufrecht erhalten. Wir hatten das Glück, am Markttag vor Ort zu sein.
Was eine gute Idee, jedoch nicht ursprünglich bei den Misak zu suchen ist und in unseren Breiten wohl kaum Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg hat, ist die leicht zweckentfremdete Weiterverwendung straßenverkehrsordnungswidriger Fahrzeugreifen als Design-Möbelstücke. Obwohl‘s schon ein bisschen Charme hätte. Und da gibt‘s teure Designer-Sessel, auf denen man spürbar unbequemer sitzt.
Hasta Mañana.
Hola! „5 pics a day 12/25“
Ich freue mich jedesmal, wenn ich den Stecker in die Dose mache, den Schalter betätige, und das Ding fängt an zu leuchten oder laufen, je nachdem. Ich freue mich auch, wenn dem nicht so ist und ich den Fehler finde (z.B. Leuchtelement kaputt oder nur einen von zwei Schaltern, etwa bei der Flex oder Heckenschere, gedrückt). So gesehen könnte Elektriker eigentlich mein Traumberuf sein. Das gilt aber bestenfalls für Österreich.
Etwas anders sieht die Sache schon in Südamerika aus. Da gäbe es tausend Berufe, die ich aufgrund meiner Freude am Leben lieber ausüben würde. Obwohl dank vergangener Reisen nicht unbekannt, fasziniert mich die Elektrik, insbesondere die Verkabelung des öffentlichen Stromnetzes, stets aufs Neue. Um hier als Elektriker überleben zu können (und jetzt meine ich nicht das finanzielle Überleben), braucht man meiner Meinung nach entweder ein Hochschulstudium mit Summa-cum-Laude-Abschluss, oder - wie eine Katze - sieben Leben.
Obwohl Dienst- war heute -Tag der Ruhe angesagt. Etappen-Tag. Nach einem kurzen morgendlichen Spaziergang durch Cali waren wir on the road again gen Norden nach Armenia am Eingang zum Kaffeedreieck. Was ich erfreulicherweise (nicht) vermisst habe, waren diese „Müllhalden“ entlang der Straße. Es ist hier (zumindest dort, wo wir uns bisher bewegt haben) um ein Eck sauberer als z.B. in Peru. Bis dato hatten wir noch kein Auto vor uns, aus dem nicht mehr benötigtes Verpackungsmaterial (z.B. Plastik-Getränkeflaschen) aus dem Fenster flog. Natürlich ist auch hier noch Luft nach oben, aber bei weitem weniger.
Hasta Mañana.
Hola! „5 pics a day 13/25“
Der Beweggrund für unsere Kolumbien-Reise war ja - abgesehen von meiner ausgeprägten Südamerikamanie - ein eher zufälliger: Bei einem Zwischenstopp auf der Heimreise vor zwei Jahren auf dem Flughafen von Bogotá sind uns die Läden mit den bunten Souvenirs sofort ins Auge gestochen. Das war insofern „schmerzhaft“, als dass wir damals beschlossen, dieses farbenfrohe Land (irgendwann) in unsere Reiseliste aufzunehmen. Dass es heuer bereits so weit sein sollte, obwohl zuerst Vietnam, Ecuador oder Schottland am Plan standen, ist eine Geschichte, die in wenigen Worten nicht zu erklären ist.
Heute jedenfalls sind wir der (architektonischen, weil die biologische hatten wir schon) Farbenpracht begegnet. Namentlich in Salento sowie in Filandia, beide Siedlungen im kolumbianischen Kaffeedreieck gelegen. Um dem Titel meines Tagebuches gerecht zu werden, habe ich nur drei von ca. 10 hoch 13 Bildern ausgewählt (einige mehr finden sich in meiner Story).
Die beiden restlichen Bilder des Tages sind dem Cocora Tal und dessen Wachspalmen, die die höchsten Palmen weltweit sind, gewidmet. Die Farbenpracht hielt sich dort jedoch eher in Grenzen, zumal sich zu dem satten Grün hauptsächlich ein den Gesichtshorizont einnehmendes mystisches Nebelgrau gesellte. Und vielleicht ein bisschen Pferdeweiß und -braun sowie vereinzelt ein Blütenrot oder -gelb.
Und da es hier keine Eisenbahn gibt, und selbst lächerliche 300 km per Auto recht lange dauern, sitzen wir - wieder einmal - in einem Flughafen. Dermal in Pereira und warten auf den Flieger nach Medellín.
Hasta Mañana.
Hola! „5 pics a day 14/25“
Lediglich „Last Christmas“ haben wir noch nicht gehört. Aber sonst ist in Kolumbien (auch) schon alles Weihnachten. Bunt, blinkende Lampen, überfüllte Christbäume, Shops mit tausenden brauchbaren und hunderttausenden unbrauchbaren Dekorations- und Geschenkideen. Man fühlt sich fast a bissl wie zu Hause.
Dem zu entkommen ging heute easycheesy, einfach rein in den Flieger und ab ans Meer mit Sonne und sommerlichen Temperaturen. Von Zielflughafen Nuquí ging‘s (ausschließlich) per Boot in die Seaside-Eco-Lodge „La Kuka“. Leider war ich nicht mutig genug, um von diesem abenteuerlichen „Höllenritt“ über den Pazifik ein Foto oder gar ein Video zu machen. Zu groß war die Angst, mein Handy (und im Idealfall mich im Gefolge gleich mit) zu verlieren. „Sturmboot“ im Prater (oder in welchem Vergnügungspark auch immer)? Im Vergleich nicht mehr als eine Schlauchboot-Fahrt am Badeteich. Waschelnass ist staubtrocken im Vergleich zu dem, was wir waren. Aber mit Gottvertrauen in unseren Kapitän am Gasdrehgriff des Suzuki-Außenboarders und in die Bruchsicherheit des Polyester-Rumpfes unseres Kahns strandeten wir dort, wo’s vorgesehen und unser Bungalow mit Außendusche, Hängematte und sonstigen Annehmlichkeiten reserviert war: Im Vorgarten des Paradies namens „La Kuka Eco Lodge“ mit ausschließlich per Sonnenkraft erzeugtem Strom.
Hasta Mañana.
Hola! „5 pics a day 15/25“
Ich bin schon irgendwie ein Mensch des Wassers. Nicht nur aufgrund meines (Wasser)-Sternzeichens Krebs. Egal, ob das 50-Meter-Becken in der Südstadt, die Traumstrände der Südsee oder als „Feuer“- vom Barkeeper serviert. Also verwundert es auch wenig, dass ich Yachten bewundere. Nur: So einen 350-Millionen-Kahn des Roman Abramowitsch kann ja jeder (der zumindest zweimal satt bei EuroMillionen gewonnen hat). Das wahre Gefährt für‘s nasse Milieu ist der schlanke kolumbianische Einbaum. Reduziert auf‘s Wesentliche, ohne unnötigen Schnickschnack. Also haben wir einen solchen - gleich mit Kapitän = 1. Offizier = Steuermann - gemietet, um den Dschungel auf dem Wasserweg zu erforschen.
Erst musste der Kapitän = … für Startklarheit sorgen, indem er das Wasser aus der Passagierkabine schöpfte. Die Frage, ob der Wassereintritt seinen Grund aufgrund im Regen oder doch in einer möglichen undichten Stelle im Rumpf hatte, blieb unbeantwortet, weil ich sie gar nicht gestellt hatte. Gott sei dank war dieser Einbaum aber nur das Zubringerboot für den eigentlichen, kaum größeren, aber deutlich trockeneren Einbaum. In Sachen Sitzkomfort gab’s ein bisschen Punkteabzug, dafür bewegte unser Steuermann das behäbige Ding lediglich mit einem Holzstock elegant wie Olympiasieger Giovanni de Gennaro sein Kanu durch den Wildwasser-Parcours.
Ansonsten war heute Relaxen angesagt, und das war auch der Plan der lodge-eigenen Katze, die uns in unserem Bungalow besucht und sich’s bei uns gleich bequem gemacht hatte. Ihr gilt heute das sechste Bild der 5 pics.
Hasta Mañana.
Hola! „5 pics a day 16/25“
Ich bin heute ziemlich erschrocken, als ich am Morgen in den Spiegel geschaut habe. Ich hatte zwei völlig unterschiedliche Augen. Nicht etwa deshalb, weil mein rechtes Lid schon seit geraumer Zeit geschwollen ist; No idea, why, aber solange es nicht weh tut und ich noch hervorsehe, kann es so arg nicht sein. Nein, ein Auge hat heute voll geweint, während sich das andere vor Lachen kaum einkriegen konnte.
Es hieß nämlich Abschied nehmen von Nuquí, ein landschaftlich optischer Leckerbissen in Kolumbien, und damit nach nur zwei Tagen am (pazifischen) Meer. Und wie man gestern lesen konnte, bin ich ja ein Mensch des Wassers. Insofern machte sich in der einen Gesichtshälfte tränenbegleitete Traurigkeit breit.
Gleichzeitig wusste aber mein cerebraler Zentrallappen, dass da noch ein bisschen Karibik bevorstand. Und das wiederum versetzte die andere Hälfte des Gesichts in Entzücken.
Ein morgendlicher letzter Strandspaziergang bei ziemlich viel Ebbe bildete die würdige Verabschiedung vom Pazifik, ehe es mit dem „Sturmboot“ bei jedoch ziemlicher Flaute übers Wasser in Richtung Nuquí-Flughafen ging. Wäre dort aber nicht „Aeropuerto“ angeschrieben gewesen, hätte man (ich) das Gebäude eher für ein für dortige Verhältnisse recht passables (Privat)anwesen samt Polizeischutz gehalten und wäre daran vorbei spaziert.
Vor dem karibischen Urlaubsfinale gibt‘s aber noch zwei Tage Aufenthalt in Medellín, der Stadt des „ewigen Frühlings“; eine Bezeichnung, deren Niedlichkeit die zweitgrößte Stadt des Landes eher wenig gerecht wird, denn der Charakter der Stadt ist von einer düsteren Vergangenheit geprägt. Näheres dazu morgen.
Hasta Mañana.
Hola! „5 pics a day 17/25“
Pablo Escobar und ich haben so gut wie nichts gemeinsam. Außer vielleicht, dass wir beide gerne über Leichen gehen (in seinem Fall: gingen). Und das aber auf höchst unterschiedliche Weise: Während es sich bei mir auf Friedhofsbesuche beschränkt, tat es er auf sprichwörtliche Weise.
Wie aber kann ein so böser Mensch so warmherzig sein? Man kann die Frage auch umgekehrt stellen.
Den heutigen Tag stellten wir ganz ins Zeichen dieses Mannes und besuchten die wohl vier wichtigsten Stätten seines Wirkens: Die Gedenkstätte am Ort seines ehemaligen Hauses; „La Catedral“, sein von ihm persönlich gebautes Gefängnis; „Cancha El Dorado“ - das von ihm gebaute Fußballstadion; seine letzte Ruhestätte am Friedhof von Itagüí.
„Faszinierend“ ist angesichts seiner Gräueltaten wohl nicht der richtige Ausdruck, aber eine Art schaurige Faszination haftet seiner Persönlichkeit doch an.
Ich empfehle jedem und jeder, der ein bisschen an der südamerikanischen Drogengeschichte interessiert ist, zu googeln und auf Wikipedia die Ausführungen zu seiner Person und zum „Medellín Kartell“ nachzulesen. Hier zwei kurze Zitate daraus:
„Pablo Emilio Escobar Gaviria (auch „El Doctor“, „El Patrón“ oder „Don Pablo“ genannt, geboren am 1. Dezember 1949 in Rionegro, gestorben am 2. Dezember 1993 in Medellín) war ein kolumbianischer Drogenbaron, Drogenschmuggler und Terrorist. Durch groß angelegten und erstmals in der Kriminalgeschichte industrialisierten Drogenhandel wurde er als Oberhaupt des sogenannten Medellín-Kartells zu einem der reichsten Menschen der Welt. Er wird als einer der bisher mächtigsten und brutalsten Drogenbarone angesehen.“
„Escobar war auch sozial engagiert: Er finanzierte Krankenhäuser, Sozialwohnungen und Schulen und genoss daher unter dem ärmsten Teil der Bevölkerung seiner Heimatstadt Medellín zum Teil sogar einen guten Ruf. Das Fußballstadion seines Heimatvereins in Envigado wurde mit seinen Geldern erbaut. Escobar gründete in Medellín Büro- und Apartmentkomplexe, Diskotheken und zahlreiche Restaurants, noch heute sind seine Spuren sichtbar.“
Und noch ein Zitat unseres Guides: „Escobar setzte in den 1980er-Jahren eine Kopf-Prämie von 1.000 Dollar für jeden ermordeten Polizisten aus. Daraufhin sprengte ein Kopfgeldjäger einen Bus mit 50 Gesetzeshütern in die Luft. Machte unterm Strich auf die Schnelle 50.000 Dollar.“
Interesse geweckt? Dann beim Lesen nicht vergessen, den Mund zu schließen.
Vielleicht noch kurz zu den Bildern, da die heute nicht (alle) selbsterklärend sind: Pablo’s Grabstein; der Blick von seinem Grab auf Medellín; El Dorado Stadion; La Catedral - sein von ihm gebautes „Gefängnis“ mit Spielhallen, einem Unterhaltungszentrum und sonstigen Annehmlichkeiten (wie z.B. ein Fluchtweg), die ein Häf‘n so braucht; Hubschrauber-Landeplatz auf dem La Catedral Gelände.
Hasta Mañana
Hola! „5 pics a day 18/25“
Die Gestaltung des gestrigen Abends, die im Wesentlichen aus der Verfolgung des NFL-Spiels Buffalo Bills gegen Kansas City Chiefs auf dem Handy via DAZN während des Dinners bestand, inspirierte mich gegen Ende des Spiels zu meinem heutigen Tagebuch-Eintrag: Ich nehme mir ein (literarisches) Time-Out. Ich lasse heute nur die fünf Bilder von „Inside Medellín“ wirken, die ich dafür auf zehn erhöhe und mit Bildunterschriften versehe.
Ich bitte um Nachsicht, aber wahrscheinlich hemmt mich die in mein Bewusstsein getretene Tatsache, heute in einer Woche schon wieder im Flugzeug back to Austria zu sitzen, ein bisschen in meiner kreativen Entfaltung.
Morgen wird alles wieder besser sein, daher…
…Hasta Mañana
Hola! "5 pics a day 19/25"
Ich mache mir Sorgen um die Menschheit. Sie ist verantwortlich für immer smarter werdende Künstliche Intelligenz, was ich grundsätzlich beunruhigend finde. Was ich jedoch noch viel beunruhigender finde ist, dass gleichzeitig ihre Natürliche Intelligenz auf dem Weg Richtung Null immer mehr Fahrt aufnimmt. Beispiel?: Es dauert vom Zum-Stillstand-Kommen eines Fliegers auf dem Zielflughafen bis zum Öffnen der Türen zumindest fünf Minuten. Noch in den letzten Zügen des Ausrollens springt ein gutes Drittel der Passagiere auf und drängt auf den Mittelgang, der aber eigentlich nur für etwa ein Sechstel (also pro Reihe ein Passagier) Platz bietet. Die Hälfte der verbleibenden zwei Drittel bleibt aber nur deswegen sitzen, weil sie zähneknirschend zur Kenntnis nehmen muss, dass das Fassungsvermögen des Ganges hoffnungslos ausgeschöpft ist; aber stets versuchend, sich doch noch zu erheben. Wem‘s gelingt, der steht dann wie ein Fragezeichen gefangen zwischen Sitz des Vordermannes, eigenem Sitz, Overhead-Handgepäcksstauraum und (zumeist) ebenfalls nervösem Sitznachbarn. Etwa die Hälfte des jetzt noch verbleibenden Drittels hat sich dem Schicksal des „Leider-nicht-Aisle-Sitzplatzes“ widerstandslos ergeben, und nur etwa die andere Hälfte des verbleibenden Drittels bleibt cool, wartet (zumeist in das Handy-Display vertieft), bis die Türen geöffnet sind und erheben sich dann, wenn sie an der Reihe sind (bei einem A 320 mit ungefähr 150 Sitzplätzen ist damit die vernünftige (intelligente) Fraktion gerade mal 25 Personen stark).
Unweigerlich musste ich an Alex Kristan denken, der diese Situation in einem seiner Kabarettprogramme verarbeitet hat und mit dem Satz schließt: „Wetten, wir steigen alle aus dem gleichen Flieger aus?“ - Und ich ergänze noch: „Vor (Gott und) dem Laufband des Baggage Claim sind dann wieder alle gleich.“
Das Gedränge vor diesem Laufband ist wieder eine andere Geschichte. Vielleicht greife ich die auch noch irgendwann auf.
Ich/wir waren vor genau 20 Jahren das erste und bislang letzte Mal in der Karibik (Dom Rep). Heute ist es wieder so weit: Santa Marta an der kolumbianischen Karibik-Küste hat auf uns gewartet. In den wenigen Stunden seit der Landung hat sich uns hier ein völlig anderes Kolumbien präsentiert: Laut (nicht nur wegen des Fußball-WM-Qualifikationsspiels gegen Ecuador, dass in gefühlten hundert Lokalen auf fünfhundert Monitoren gezeigt wurde (und das Kolumbien mit 0:1 verloren hat)), hektisch und einigermaßen schmutziger als wir bisher gewohnt waren.
Mal schauen, was die beiden nächsten (Wander)tage bringen werden, vermutlich jedoch kein WLAN, wodurch das nächste Tagebuch vermutlich erst am Donnerstag (Freitag MEZ) erscheint.
Hasta (Über)mañana
Hola! "5 pics a day 20/25"
Kolumbien hat also das Fußball- WM-Qualifikationsspiel gegen Ecuador verloren. Stimmung, Hektik und Lautstärke litten in Santa Marta aber nur kaum spürbar darunter, und so flohen wir in die ruhigeren Gefielde der Sierra Nevada. Wir erforschten - wieder einmal - die Geschichte und den Dschungel. Erst passierten wir die Piedras de Donama, Steinmetzarbeiten aus präkolumbischer Zeit, die den Indígenen auch heute noch als Ort für zeremonielle Handlungen dienen. Und dann ging‘s ans botanisch Eingemachte. In rund fünf Stunden durchquerten wir auf etwa 15 Kilometer nicht nur alle denkbaren Zonen der regenwäldlerischen Vegetation, sondern auch Kaffeeplantagen, Avocado-Bäume und Viehweiden.
Mitten drin dann die prähistorische Steinstadt Bunkuany, ein archäologischer Komplex, der auch als „die zweite verlorene Stadt“, nach der berühmteren, aber deutlich schwieriger zu erreichenden Ciudad Perdida, bezeichnet wird.
Und endlich machte auch der Regenwald seinem Namen alle Ehre: Wir durften die mystisch wirkenden, tief hängenden Wolken nicht nur sehen, sondern auch spüren. Nicht zu lange, gerade mal so eine halbe Stunde, so, dass halt alles pitschnass geworden wäre, hätten wir nicht Gürtel mit Hosenträger gemacht und erst den Rucksack mit einem Regenschutz überzogen, und dann noch über alles einen Regenponcho geworfen.
Unser Quartier heute ist irgendwo im Nirgendwo der kolumbianischen Bergwelt, ohne Handy-Netz, aber dafür immerhin mit Strom und WLAN (was du brauchst wie einen Bissen Brot, wenn die Nacht unmittelbar nach dem Abendessen um 19:00 Uhr beginnt).
Hasta Mañana.
Hola! "5 pics a day 21/25"
Ich hätte mir das so schön ausgemalt: Saucony Goretex Trailrunning Schuhe gekauft, und dazu 4 mm Spikes, die ich in das Profil der Sohlen gedreht hätte. Und schon wäre ich rutschsicher und standfest über den See gelaufen. Den zugefrorenen Baikalsee in Sibirien. 42,2 km weit. Doch dann machte Corona einen Strich durch meine Rechnung. Und im Jahr darauf kam mir ein gewisser Herr P. mit der Anordnung an seine Untertanen, der Ukraine einen, sagen wir: nicht gesetzeskonformen Besuch abzustatten, in die Quere. Bis heute. Also lagen die Saucony (die Spikes tun‘s noch immer) seit 2021 zu Hause herum.
Ich weiß, der Bus mit den Leuten, die das alles interessiert, kommt erst, aber mir fällt für heute nichts Besseres ein. Heute war Tag zwei der kolumbischen Dschungel-Erforschung.
Und jetzt kommen die Saucony (doch noch) ins Spiel: Nachdem ich sie dem ursprünglichen Zweck nicht zuführen konnte, und dies auch in absehbarer Zeit nicht tun werde können, gestattete ich ihnen, mich nach hierher zu begleiten und unter ebenfalls schwierigen, jedoch ganz anderen Bedingungen - 90 Prozent und an die 30 Grad heiße Luftfeuchtigkeit anstelle knochentrockener Eiseskälte - ihre Jungfräulichkeit spät aber doch zu verlieren. Gleich vorweg: Sie erwiesen sich (wie auch schon am Vortag) als die Expeditions-Patschen schlechthin. Grip Ende nie, wie ein auf Betriebstemperatur gebrachter Formel 1 Reifen auf dem A1-Ring, und das auch auf nassem Gestein, ein Profil, dem der Gatsch gar nicht tief genug sein konnte, und die Wasserabneigung des Obermaterials fand erst am Übergang zum Wandersocken seine Grenze. Sollte ich jemals wieder in den Dschungel oder ähnlich botanische Gefielde kommen, dann werden erneut diese Schuhe die Verbindung zwischen mir und dem Planeten bilden.
So ließ es sich guten Gewissens also zwischen Expeditionstag eins und zwei sorgenfrei in der Hängematte chillen bzw. im Natur-Pool dümpeln. Und sogar die Maultiere am Wegesrand wedelten ob meiner zur Vollendung gebrachten Trittsicherheit freudig mit ihrem Schwanz.
Nach Verlust von geschätzten zehn Litern Schweiß in den vergangenen beiden Tagen sind wir wieder in der Zivilisation in Santa Marta angekommen und bestreiten morgen die letzte, etwa 180 km lange Etappe unserer kleinen, feinen Rundreise nach Cartagena mit dem Bus.
Hasta Mañana
Hola! "5 pics a day 22/25"
Ein ganz schön aufregender Tag heute: Ich habe was erfunden, ich/wir bin /sind in eine andere Welt eingetaucht, haben uns auf die Füße, wie man sagt, gestellt und haben unsere jeweilige T-Shirt-Sammlung um eins erweitert.
Ich habe das „negative Trinkgeld“ erfunden. Das heißt: Nicht wir geben für besondere Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft, sondern bekommen für das Ertragen eines fürchterlich angefressenen G‘frieses. Unser Bus-Chauffeur hat zwar seine Aufgabe, uns (und andere) sicher von A nach B zu bringen, erfüllt, aber er hat einen, wie man sagt: Fotz zaaht, der geeignet gewesen wäre, allen seinen Gästen den Tag nachhaltig zu vermiesen. Hätte ich bereits eine Umsetzungsidee meiner Erfindung, wären wir mit mehr aus- als eingestiegen. So war‘s jetzt halt nur ein Nullsummenspiel. Aber ich arbeite an Umsetzungsszenarien.
An unserem letzten Etappenziel angekommen, haben wir festgestellt: Da gibt es einerseits Kolumbien, und andererseits Cartagena. Diese Stadt ist - soweit unser erster Eindruck, morgen erfahren wir mehr - eine völlig andere Welt. Schrill, modern, recht sauber, voller Leben, bunt und unbedingt sehenswert.
Nur als wir unser Quartier bezogen, zogen wir einen Fotz, doppelt so lang wie jener des Chaffeurs (und der erreichte schon nahezu den Boden): Wir sollten unseren Urlaub also in einem Loch ausklingen lassen. Das Zimmer war versifft, verschimmelt, kurz: unter jeder Sau. Dass auch noch winzig klein und lediglich mit Fenster zum Gang, wäre noch das kleinere Problem gewesen. Die letzte Erinnerung an Kolumbien hätte also eine unglückliche und schlechte werden sollen. Aber dann besannen wir uns der Worte unserer Reiseexpertin von Chaska Tours die meinte, wir mögen ihr alles, was nicht passt, mitteilen, damit unser Trip so angenehm wie möglich verläuft. Und genau das taten wir. Und binnen einer Stunde waren wir in einem Hotel von einer Qualität, die uns den offenen Mund von Hand aus schließen lassen musste. Auch wenn das deren Job ist, so war diese Art von Flexibilität, Schnelligkeit, Unkompliziertheit und Professionalität nicht unbedingt selbstverständlich, und unser Dank gilt, das muss hier auch gesagt werden, Delia Koch vom örtlichen Veranstalter Chaska Tours, Kooperationspartner eines Tiroler Reiseunternehmens. So hat die Reise gute Chancen, mit schönen letzten Erinnerungen enden zu können.
Um einen ferialen Traditionsbruch zu vermeiden, mussten wir in Cartagena das dortige Hard Rock Café besuchen und neben einem Burger auch noch ein T-Shirt erstehen, was die Sammlung auf mittlerweile rund zwanzig derartige Leiberl vergrößert.
PS: Ich möchte die Schuld an dem inakzeptablen Hotelzimmer nicht dem Reiseveranstalter geben, denn die Google-Rezessionen reichen von eins bis fünf. Uns wurde dummerweise halt eines der schlechten zugeteilt. Und wer dann halt den Mund aufmacht, was viele inkl. mir viel zu selten machen, ist im Vorteil.
Hasta Mañana.
Hola! "5 pics a day 23/25"
In Analogie zu den vielen „Nach dem/der … ist vor dem/der …“ gilt für mich natürlich auch „Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub“, wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob nicht meine Urlaubs-Version aller dieser Sprüche Ursprung ist.
Wie auch immer, die Zeiten ändern sich, und so habe auch ich heute den Spruch für mich ein bisschen dynamisiert: „Bereits die letzten Urlaubstage sind vor dem Urlaub“. Grund dafür ist meine First-Sight-Verliebtheit in Cartagena. Was sich gestern bereits abgezeichnet hat, hat heute seine Bestätigung gefunden. Diese Stadt hat mich zwar zum ersten, jedoch sicher nicht zum letzten Mal gesehen. Und so wurden beim heutigen Rundgang durch den Bezirk Getsemaní bereits Pläne für das Comeback geschmiedet: Nachdem ja mit Ecuador ein Nachbar Kolumbiens unter den Top-Five unserer Welterforschungs-Bucketlist rangiert, werden wir dies mit einem Zwischenstopp eben in Cartagena abarbeiten. Ein möglicher Zeitpunkt könnte 2027 sein. Soviel zur Mittelfrist-Planung.
Das Stadtviertel Getsemaní jedenfalls wurde vom Forbes Magazine zu einem der coolsten Viertel der Welt ernannt, und dessen Vorstellung von „cool“ ist nahezu, na eigentlich ist es, kongruent mit der meinigen. Als einen Beweis dafür lege ich ein paar Bilder zu den üblichen 5 drauf.
Am Abend ging es dann nach La Boquilla, ein vorgelagertes Fischerdorf mit über 200 Jahren bewegter Geschichte. Und afro-karibischen Wurzeln. Die Dorfjugend hält hier die Tradition aufrecht und bietet Trommel-, Gesang- und Tanz-Performance, die die Rituale der drei Kulturen Afrika, Karibik und kolumbisch Indígene widerspiegeln.
Hasta Mañana
Hola! "5 pics a day 24/25"
Als ob der letzte Urlaubstag nicht ohnedies viel zu schnell verginge, haben wir uns in ein Schnellboot gesetzt, um noch ein bisschen Beschleunigung reinzubringen. In Tat und Wahrheit jedoch war es eher eine Verzögerung, weil durch die Geschwindigkeit noch ordentlich Leben in die letzten Stunden gekommen ist und der Tag noch voller Programm war.
Das hat schon was, wenn der Flug erst um 22:30 Uhr departet. So sind wir vor Freude gehüpft, und zwar von einer Insel zur anderen. Fünfmal insgesamt, in dem Cartagena vorgelagerten Meer. Und da es sich bei nämlichem um das Karibische handelt, genossen wir als würdigen Abschluss noch a bissl Karibik-Feeling. Barcadi-Feeling könnte man auch sagen. 34 Grad Celsius, und alle im Plus-Bereich, all das macht den Abschied nicht unbedingt leichter.
Und da die Jungs der mobilen wie auch der stationären Bars wissen, wie die Drinks zu mischen sind, könnte es sein, dass ich mich bei der Anzahl der Bilder a wengerl vazöht habe.
Hasta Abschluss-Eintrag Mañana.
Hola! "5 pics a day 25/25 (Ultimo)
Finally back in Europe, und damit Zeit für ein paar Zahlen (abgesehen von den 30 Grad weniger und 6 Stunden mehr): Von den 24 Nächten haben wir 23 in 14 verschiedenen, geografisch bedingt höchst unterschiedlichen Quartieren verbracht. Nacht 24 verstrich, als wir uns hoch über dem Atlantik befanden.
Um auch wirklich ganz Kolumbien so halbwegs kennenzulernen, benötigten wir sieben Inlandsflüge mit einer Gesamtstrecke von etwa 2.100 km und saßen etwa 1.700 km im Auto. Auf dem Wasserweg legten wir etwa 150 km zurück.
Wenn es in der Regenzeit nicht (oder kaum, und wenn, dann kaum störend) regnet, kann man von Glück sprechen. Selbiges hatten wir in beachtlichem Ausmaß. Des Risikos waren wir uns bewusst. Nur: Es gibt, will man das ganze Land in einem Stück bereisen, aufgrund der Größe und der Nähe zum Äquator keine „richtige“ oder ideale Reisezeit. Weil: Will man im Caño Cristales die berühmten bunten Pflanzen im Wasser sehen, geht das nur, wenn im karibischen Teil (und damit im Norden des Landes) Regenzeit herrscht. Will man die Gefahr des Regens dort aber weitgehend ausschließen, schließt man (nicht weitgehend, sondern) sicher die Caño Cristales Möglichkeit aus.
Wie sagte schon unser Ex-Bundeskanzler F.S.? „Es ist alles sehr kompliziert.“ Und der Caño gehört aber zu den Highlights in Kolumbien. Kolumbien hat jetzt nicht diese extremen touristischen Hotspots wie etwa Peru mit Machu Picchu oder Bolivien mit der Salar de Uyuni, aber dennoch sehr viel sehens- und erlebenswert Unterschiedliches, sei es Landschaft, Geschichte, Kultur oder natürlich Typen und Charaktäre von Menschen zu bieten.
Vielleicht noch zwei Sätze zum Thema Sicherheit: Kolumbien jetzt und Kolumbien von vor 20 oder 30 Jahren kann man nicht mehr vergleichen. Unter Einhaltung der Mindeststandards an Vorsicht (die, btw, auch in Wien vonnöten sind), ist das Land sicher. Mehrfach haben wir gehört, dass man als Kolumbianer gefährlicher lebt als als Tourist, weil auch die „bösen Buben“ wissen, dass der Tourismus unerlässlich ist für‘s Land und eine schlechte Reputation daher keine Option, und sich lieber gegenseitig die Schädeln einhauen, wie man sagt.
Damit schließe ich wieder einmal mein „5 pics a day“-Tagebuch und mache mich auf die Suche - nein, eher an die Priorisierung der Möglichkeiten - woher die nächsten Postings kommen werden. Hasta Luego!
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